Meknes - Volubilis - Fès

Meknes - Volubilis

Montag, 01. Oktober 2018

Das Frühstück war noch etwas spartanischer, wenn man nicht gerade auf süße Teilchen und Obst steht. Das Gewitter hatte sich zum Glück verzogen, hatte aber noch einiges an Dunst hinterlassen.
Außerhalb der Stadt kam wir am königlichen Gestüt vorbei. Der riesige Komplex ist natürlich von einer Mauer umgeben. Alle paar Meter steht ein Wachhäuschen, das an diesem Tag mit Soldaten oder Wachen besetzt war. Kaum waren bei den Wachen zwei gleiche Uniformen zu bemerken. Eine ähnliche Beobachtung hatten wir bereits am Vortag beim Königspalast gemacht. Ich handelte mir einen leichten Verweis des Reiseleiters ein, weil ich beim Vorbeifahren den Eingang zum Gestüt mit den Wachen fotografierte. Das könne bei königlichen oder militärischen Anlagen Probleme geben. Komischerweise war das gestern im Königspalast kein Problem gewesen.
Weiter ging es über die vierspurige Straße durch Korkeichenwälder und dann über weitläufige Ackerflächen, zeitweise mit Oliven- und Obstbäumen.
Am Horizont zeichneten sich allmählich Berge ab. Und auch das Gelände, durch das wir fuhren, wurde hügeliger. Irgendwie erinnerte mich die Landschaft an Andalusien auf dem Weg von Sevilla zurück zum Meer.
In Meknes angekommen stoppten wir an einem der Stadttore, dem Bab En Nouara. Das lag um diese Zeit leider voll gegen die Sonne. Trotzdem gelang mir ein brauchbares Bild, ohne zu viel Verkehr auf der recht stark befahrenen Straße.
Im Inneren der Residenzstadt, die eigentlich nie über die Umfassungsmauer hinausgekommen war und nun mit einer normalen Stadtbebauung gefüllt ist, erreichten wir eine schmucklose Wand mit einem unscheinbaren Eingang. Dahinter verbargen sich aber die riesigen tonnengewölbten Vorratsspeicher Heri es Souani. Verschiedene Bogenformen verbanden die Räume an den Längsseiten. Ganz hinten reihten sich nochmals offene Bogenstrukturen. Die Gewölbe darüber waren wohl in der Vergangenheit Erdbeben zum Opfer gefallen. Irgendwo auf dem Weg in die Stadt hatten wir den lokalen Reiseführer an Bord genommen. Der konzentrierte sich erst einmal darauf, dass in den Vorratsgewölben keiner aus der Gruppe verloren ging. Dann zeigte er mir mehrere Fotopunkte, insbesondere einen Raum, der grün schimmerte. Er erklärte mir, dass das durch die Reflexion im Wasser käme, wobei ich nicht heraus bekam, wo denn das Wasser war. Der Raum selbst war trocken. Ein jungen Mann sprang die ganze Zeit zwischen der Gruppe herum und fotografierte. Erst nach einer Weile fiel mit auf, dass er nicht die Örtlichkeiten, sondern uns fotografierte. Wir erfuhren, dass wir sicherlich am nächsten Morgen vor dem Hotel die Bilder käuflich erwerben können würden.
Die Grabmoschee Moulay Ismail übersprangen wir, weil die Renovierung noch nicht abgeschlossen war. Wir verließen wieder den Bus und warfen einen Blick auf den Pavillon Koubba El Khaiatine. Auf dem Platz davor befinden sich merkwürdige runde Öffnungen. Diese dienten der Licht- und Luftversorgung des darunter liegenden Gefängnisses. Eine nette Geschichte besagt, dass wenn Verhandlungen im dem Pavillon, der dem Empfang ausländischer Gesandter diente, ins Stocken gerieten, man die Gefangenen im Gefängnis darunter tracktierte, damit die Schmerzensschreie den Verhandlungen Nachdruck verschafften.
Dann tauchten wir in die engen Gassen der Souks ein, um direkt die Medresa Bou Inania anzusteuern.
Was für ein Kleinod tat sich da auf engstem Raum auf. Rund um einen Innenhof mit einem Brunnenbecken erheben sich die reich verzierten Wände und Holzstrukturen. Der zugängliche seitliche Lehrraum hat eine Gebetsnische, die schon einen kleinen Raum darstellt und umrandet ist von filigranen Arabesken. Die Ähnlichkeit zur arabischen Kunst in Andalusien war offensichtlich. Man konnte sogar über eine schmale Stiege in das Obergeschoss gelangen und dort durch die kleinen Fenster über den Innenhof schauen.
Zurück und durch ein paar weitere Gassen kamen wir zur Place El Hedim. Hier wurde die Gruppe zu einer Pause entlassen, die nicht nur wir als Mittagspause interpretierten. Unser Reiseleiter empfahl uns die Teehäuser rund um den Platz oder die an der Längsseite anschließende Markthalle. Wir wollten erst einmal in die Markthalle, zögerten aber einen Moment, weil gerade ein Kastenwagen entladen wurde. Ein Mann lud sich immer drei abgetrennte Rinderschädel auf die Schulter und verschwand in der Markthalle. Drinnen gab es aber erst einmal viele Stände mit Obst, Gemüse und kunstvoll aufgetürmten Oliven, Süßigkeitenstände und Gewürzläden. Vierseitenpyramiden aus Gewürz hatten wir schon auf einigen Märkten gesehen. Hier bestanden die Pyramiden aber aus verschiedenen Gewürzen, die bestimmte Gewürzmischungen ergaben, wie Ras al Hanout. Und natürlich wollte uns jeder echten Safran verkaufen. Einer der jungen Verkäufer musste schließlich selbst lachen, als er mit seinem Super-Sonderangebot bei uns nicht ankam.
Weiter hinten erreichten wir die Fleischabteilung, wo sich auch die Rinderschädel wiederfanden. Sowohl von den Rindern als auch von anderen Tieren, wahrscheinlich Schafe oder Ziegen, wurden alle möglichen Teile zum Verkauf angeboten. Für uns natürlich gewöhnungsbedürftig, aber immerhin verwertet man hier die ganzen Tiere und verarbeitet nicht große Teile für alles mögliche andere wie bei uns.
In einem der Teehäuser auf dem Platz saßen noch ein paar Mitreisende. Wir ließen uns vom Keller überzeugen, dass die Sandwiches schnell gingen. Trotzdem waren wir mit 5 min Verspätung die letzten im Bus. Das hatte nicht unbedingt daran gelegen, dass Johanna eine Familie sehr dünner sehr kleiner Katzen füttern und fotografieren wollte.
Im Bus verkündete unser Reiseleiter, dass wir vor der Besichtigung von Volubilis noch unser Mittagessen in einem nahe der Ausgrabungsstätte liegenden Hotel einnehmen würden. Da klärte sich dann das Missverständnis auf.
Das Hotel liegt oberhalb der Ausgrabungsstätte eigentlich in sehr guter Lage. Leider schien es trotzdem nicht mehr Anlaufpunkt von Touristen auf dem Weg nach Volubilis zu sein. Trotz 4*, Pool, Terrasse etc. wirkte es verlassen. Noch vor der Suppe versuchte ich mit dem geballten Fotoequipment Bilder von Volubilis zu machen. Das gestaltete sich etwas schwierig aufgrund des leichten Dunstes in der Luft. Zudem zog aus dem Süden ein Gewitter auf, das das Licht entsprechend beeinflusste.
In der Ausgrabungsstätte stieg Johanna bereits nach einigen Metern aus. Steile, mit abgeschliffenen Großkieseln belegte Wege sind nicht ihr Ding. Ein anderer Mitreisender blieb aus anderen Gründen ebenfalls zurück. Der Rest der Gruppe stieg den Hügel hinan, wo wir verschiedene Häuserruinen mit recht gut erhaltenen Mosaiken besichtigten und schließlich auf den Decumanus Maximus stießen. Aber eigentlich waren die Ausgrabungen nur Kulisse oder Bühne für unseren Reiseleiter. Der verstand es im Stile eines Theaterschauspielers die Geschichte von Herakles ebenso zu präsentieren wie nachdrucksvoll Religionsgeschichte darzulegen. Leider wurde diese grandiose Führung beim Triumphbogen jäh unterbrochen, als uns doch ein Ausläufer des Gewitters erreichte und wir uns erst einmal unterstellten. Etwas durchnässt kamen wir wieder am Bus an, wo ich nach einigem Suchen auch Johanna wieder fand.
Der Weg nach Fès führte durch eine hügelige Agrarlandschaft auf einer teilweise schwungvoll mäandrierenden Straße. Aber unser Busfahrer hatte alles im Griff.
Die abgeernteten Felder des Hügelgeländes chargierte zwischen strohgelb über vertrocknetes hellbraun zu einem tiefen rotbraun bei Feldern, die bereits umgepflügt waren. Dazwischen immer wieder Olivenhaine.
Je näher wir an Fès herankamen, desto öfter sahen wir Esel als Last- und Reittiere. Schafherden gab es eh überall. Dass auf den abgeernteten Feldern Getreide, hauptsächlich Weizen, angebaut wurde, erfuhr ich später auf Rückfrage von unserem Reiseleiter. Kurz vor dem Hotel oberhalb der Altstadt von Fès verließen wir den Bus, um einen Blick auf die Stadt zu werfen, die im Abendlicht vor der dunklen Wolkenkulisse schimmerte. Das Abendessen fand im marokkanischen Saal des Hotels statt, der wohl sonst für Hochzeiten und ähnlichen Familienfeierlichkeiten genutzt wird.
Die Harira als Vorspeise hatten wir bereits zum Mittagessen. Danach gab es frittierte Dreiecke und "Frühlingsrollen", zu denen ich Harissa bestellte. Dann kam eine Tajin mit Rindfleisch und Gemüse in einem riesigen silbernen Gefäß, das in die Mitte des Tisches gestellt wurde. Zum Nachtisch kam eine ebenfalls riesige Obstplatte.
Johanna und ich setzten uns nach dem Essen noch auf die Terrasse mit der tollen Aussicht auf Fès. Unser Versuch, Eau de Vie zu bestellen, scheiterte irgendwie. Es wurden zwar verschiedene Obstbrände auf der Karte gelistet, verfügbar waren sie aber nicht. Eine Erfahrung, die wir in den nächsten Tagen immer wieder machen sollten. Der Kellner empfahl uns Dattelschnaps. Der kam in einem kleinen Cognacschwenker mit Zitronen und Salz. Das wunderte uns schon. Das Getränk schmeckte dann aber wie ein Anisschnaps. Keine Ahnung, was wir da tatsächlich hatten.

Fès

Dienstag, 02. Oktober 2018

Das Hotel war nun das erste, das eine Eier-Bratstation bot, wo auch Pfannkuchen etc. zubereitet wurden.
Gleich auf der Terrasse des Hotels führte unser lokaler Reiseführer in die Stadt ein. Das bot sich natürlich an der Stelle an, weil man vom Hotel aus einen Blick fast auf die gesamte Altstadt Fès el Bali hat.
Unser Reiseleiter war ein älterer Herr, der sehr gut deutsch sprach. Eine Internet-Recherche am Nachmittag ergab, dass es sich nicht einfach um einen deutschsprechenden Reiseleiter handelte (was er aber auch selbst immer mal wieder in seine Ansprachen einfließen ließ. Herr Jalil el-Hayar ist wohl eine bekannte Größe hier in Fès. Er hat auch noch ein Riad-Hotel etwas außerhalb (Dar Ziryab). Und was er sonst noch macht, erzählte er uns während der Führung.
Das ging schon mal mit der Geschichte mit seinem Mercedes W240 los, den ein Bekannter vor vielen Jahren aus Deutschland mitgebracht hatte und den Herr Jalil ihm abkaufte. Dass Herr Jalil nicht zu den ärmeren Einwohnern gehört, zeigte sich daran, wenn man den Kaufpreis des Wagens mit dem Durchschnittseinkommen im Land vergleicht. Und der Kauf lag schon viele Jahre zurück. Jedenfalls hatte Herr Jalil da noch in der Medina gewohnt, wo man eh nicht mit dem Auto hineinkommt. Also sei er nach einer Weile aus der Medina weggezogen. Den Mercedes mit seinen über 500.000 km und erstem Motor gibt es immer noch, angeblich.
Am Bab Boujeloud verließen wir den Bus und stürzten uns in das unglaubliche Labyrinth der Medina. Anfangs war noch etwas weniger los, da die Geschäfte hier die Sommerzeit ignorieren und erst später aufmachen. Durch mehr oder weniger enge Gassen mit zahllosen Geschäften und kleinen Handwerksbetrieben schlängelten wir uns tendenziell bergab. Immer wieder lohnte es sich auch, den Blick gen Himmel zu heben, entweder wegen kleinen Vordächern oder Erkern, die reich mit Holzschnitzereien verziert waren . Oder weil sich ein Minarett oder der Observatoriumsturm aus den Gassenschluchten erhob.
Schnell füllten sich die Gassen. Dazwischen immer wieder Esel und Menschen, die kleine zweirädrige Karren als Transportmittel nutzten. Skurril waren die mit Gasflaschen beladenen Esel. Die Einheimischen bewegten sich höflich aber bestimmt durch die Touristengruppen.
Längere Zeit verbrachten wir in der Madrasa Bu Inaniya.Hier stellte es sich heraus, dass Herr Jalil auch stellvertretender Imam von Fès ist. Bei der Vorstellung auf der Hotelterrasse hatte er schon betont, dass er Hadschi ist, da er Anfang der 2000er die Pilgerfahrt nach Mekka gemacht hatte. In der Madrasa erklärte er die Abläufe beim Tod eines Menschen unter anderem am Bespiel seiner verstorbenen Mutter, aber auch anderer Fälle, wo er in seiner Funktion als stellv. Imam herbeigerufen wurde, um den Toten zu waschen und in das weiße Tuch einzuwickeln. Idealerweise erwirbt man diese Tücher während der Pilgerfahrt nach Mekka, was er für sich und seine Familie auch getan hatte. Jedenfalls wird der Tote für eine Nacht zuhause aufgebahrt, was gerade im Sommer durchaus eine Herausforderung darstellt. Er erzählte auch von seiner Suche nach einer Grabstätte für seine Mutter, zunächst auf dem bevorzugten Friedhof von Fès. Dort kam er durch Zufall an eine Grabstätte für seine Mutter und ließ sich gleich weitere für sich, seine Frau und seine Schwester reservieren. Die Grabstätte als solches sind kostenlos und stehen auf unbegrenzte Zeit zur Verfügung. Allerdings kostet die Herstellung des Grabes, das 2 m lang, 50 cm breit für Männer und 55 cm breit für Frauen (wegen des Sarges) und 180 cm tief ist. Dieses wird tatsächlich ausgemauert. Auf dem weiteren Weg durch das Gassengewirr kaufte unser Führer an einer winzigen Bäckerei kleine, runde Brote die mit weißem geschrotetem Maiskorn bestreut und noch sehr heiß waren.
Bevor wir in den Laden der Messing- und Bronzeschmiede gingen, nahmen wir einen kleinen Zugang an der Seite und standen unvermittelt im Innenhof eine Riadhauses, das allerdings in einem undefinierten Renovierungszustand war. Herr Jalil hatte auch hier wieder eine Geschichte zu erzählen. Eine erste Kaufinteressentin aus Europa hatte nach einer Weile doch einen Rückzieher gemacht. Dann ging das Haus an eine Familie aus Marokko zum Preis von 280.000 €! Und Herr Jalil war Vermittler und kassierte wohl eine ordentliche Provision. Jetzt soll das Haus nach und nach renoviert werden. Unser Reiseleiter meinte aber, dass sich da schon seit einem Jahr nichts mehr getan hätte.
Auf jeden Fall war an diesem Beispiel sehr gut das Bauprinzip zu erkennen. Rund um den offenen Innenhof, in dessen Mitte sich ein Brunnenbecken befindet, gruppieren sich an jeder Seite ein schmaler hoher Raum. Hier wohnt man im Sommer, weil am kühlsten. Im Winter zieht man nach oben. Über einem Mezzanin, das als Lager dient, befinden sich weitere Räumlichkeiten. Da die Häuser nicht geheizt sind, ist es im Winter oben etwas wärmer. Der Pavillon auf dem Dach des Hauses war bereits wiederhergestellt.
Zurück im Schmiedeladen bekamen wir eine kleine Vorführung der Ziselier- und Punzierarbeiten. Als Material werden Messing und Neusilber verwendet. Der Preis steigt mit der Dicke des Materials und der Feinheit der Gravuren. Der Vater des Ladenbesitzers war im übrigen auch für die Verzierung der neuen Tore des Königspalastes zuständig, die wir uns am Nachmittag anschauten. Johanna suchte sich einen verzierten Silberteller aus. Nicht ganz billig, aber eine sehr schöne Arbeit.
Sehr neu und modern zeigte sich die Kissaria mit den Läden für Festtagskleidung und natürlich den Schmuckläden. Dort waren auch die breiten und wertvollen Hochzeitsgürtel für Frauen ausgestellt. Das veranlasste Herrn Jalil wieder zur Erzählung einer seiner Anekdoten, die aber bei den Frauen in der Gruppe nicht unbedingt auf Verständnis stieß. Da die Hochzeitsgürtel bei vielen festlichen Gelegenheiten und nicht nur zur eigenen Hochzeit getragen werden, müsste er alle paar Jahre seiner Frau ein neues Glied für ihren Hochzeitsgürtel kaufen, weil sie an Umfang zugelegt habe. Dann habe er ihr aber eine Dauerkarte für das Sportstudio gekauft, was deutlich günstiger gewesen sei. Na ja, hier zeigte sich in den Späßen das sehr deutlich männerzentrierte Sozialwesen.
Und wieder ging es durch das Labyrinth, bis wir den nächsten Handwerksbetrieb ansteuerten. In zwei recht kleinen Räumen arbeiteten zwei Weber an alten traditionellen Holzwebstühlen. Die Kettfäden werden aus Agavenseide gewonnen. Die Schussfäden sind aus Baumwolle. Produziert werden 1,70 m breite und sechs Meter lange Bahnen, die von Schneidern zu Kleidern verarbeitet werden. Natürlich deckten sich viele der weiblichen Gruppenmitglieder bei der Gelegenheit mit dem einen oder anderen Schal ein.
Letzter Besichtigungspunkt in der Medina war das berühmte Gerberviertel. Am Eingang eines Hauses bekam erst mal jeder einen Minzzweig. Über eine schmale und steile Treppe stiegen wir in dem Haus weit nach oben bis zu einer Aussichtsterrasse. Der Geruch, der aus dem von Häusern umstandenen Bereich mit der Gerberei nach oben stieg, wurde von den Teilnehmern als unterschiedlich stark unangenehm empfunden. Ich fand es eigentlich erträglich. Das Bild, das sich von der Terrasse bot, war dann schon, gelinde gesagt, interessant bis befremdlich. Rechts sah man einen Bereich mit nahtlos gemauerten Becken, die alle weiß schimmerten, auch die Brühe in den rechteckigen Becken, die vielleicht 2 qm groß waren. In diesen Becken werden die Tierhäute mehrere Tage in eine Kalkbrühe gelegt, um die Haare zu entfernen. Im größeren Bereich rechts waren die Becken rund und bräunlich. Die Flüssigkeiten in den Becken waren entweder bräunlich oder rötlich. In einer Brühe aus Taubenmist wird zunächst der Kalk neutralisiert. In der anschließenden Beize wird das Leder weich gemacht. Zum Schluss kommen die Häute in eine Brühe mit Tamarisken zum eigentlich Gerbvorgang. Die Arbeiter in der Gerberei waren damit beschäftigt, die Häute in die Becken zu verbringen oder wieder herauszuholen. Neben dem Gestank und der sicherlich nicht hautfreundlichen Eigenschaften der verschiedenen Bäder, muss das bei dem Gewicht der Häute auch eine körperlich sehr anstrengende Tätigkeit sein. Unvorstellbar, wie es da unten im Sommer oder aber auch im kalten Winter sein muss. Erstaunlicherweise sind die Arbeiter in den Gerbereien nicht etwa die unterste Ebene der Arbeiter, sondern werden sogar besser bezahlt als viele andere Berufe.
Die Ergebnisse der traditionellen Lederherstellung in dem Verkaufsraum in Form von Lederjacken aber auch eigentlich schönen Reisetaschen mieden wir. Unser Reiseführer hatte uns bereits vorgewarnt, dass traditionell gegerbte Ware den Geruch ihrer Herstellung nicht verliert.
Zurück beim Hotel verabschiedeten wir uns von Herrn Jalil und nahmen auf der Hotelterrasse beim Pool erst einmal eine Stärkung ein.

An dem optionalen Ausflug am Nachmittag nahmen die meisten aus der Gruppe teil. Das Zugangstor Bab El Makhzen zum Sultanspalast lag in schöner Nachmittagssonne, die die feinen Verzierungen auf den Bronzetoren besonders gut zur Geltung brachte. Wie erwähnt hatten wir die Werkstatt und das Geschäft des Mannes am Vormittag besucht, dessen Vater die Tore geschaffen hatte.
Da das ehemalige jüdische Viertel gleich nebenan liegt, nutzte unser Reiseleiter die Gelegenheit, die Geschichte der Mellah und seiner früheren jüdischen Einwohner zu erzählen. Auf dem Weg hierher hatten wir die Mauer rund um den Palastbezirk umfahren, in dem sich auch ein Golfplatz befindet. In Google Maps konnte man nicht so richtig identifizieren, ob es sich um einen 9- oder 18-Loch-Platz handelt. Ich versuchte am Abend auch herauszufinden, ob der Platz öffentlich zugänglich ist. Ich fand tatsächlich Informationen zum Royal Golf Club, der ein 18-Loch-Platz sei und auch ab 500MHD für jeden zu bespielen wäre. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um einen anderen Platz, der etwas außerhalb von Fès liegt und an dem wir am nächsten Tag vorbei fuhren.
Außerhalb von Fès besuchten wir dann noch eine Töpferei. In Deutsch erklärte uns ein Mann, dass das nicht einfach nur ein Handwerksbetrieb, sondern auch ein Ausbildungsbetrieb sei. Das ging aber schon ziemlich archaisch zu. Im Hof wurde der graue nasse Lehm in eine rechteckige Form gestrichen und dann in der Sonne getrocknet.
In zwei gemauerten sehr einfachen und sehr heruntergekommenen Hütten brachten junge Männer auf dem Boden sitzend die angetrockneten Ziegel in rechteckige oder vieleckige Formen.
Im Nachbargebäude arbeiteten andere Männer unter ebenfalls arbeits- und gesundheitsrechtlich bedenklichen Bedingungen. Zwei Männer arbeiteten an Tongefäßen, einer an einer traditionellen Töpferscheibe mit einer fußbetriebenen Schwungscheibe, der andere an einer motorischen Töpferscheibe. Sie formten Becher und Eierbecher. In einem anderen Raum bemalten einige Männer frei Hand verschiedene Platten und Teller. Zwei Männer schlugen mit großen zweischneidigen Hämmern aus den Kacheln kleine Mosaiksteinchen. Mit dem großen Hammer aus dem spröden Ton die filigranen kleinen Steinchen zu schlagen, bedarf sicherlich großer Geschicklichkeit.
Schließlich erreichten wir den obligatorischen Schau- und Verkaufsraum.
Sehr schön die Garten-Wandbrunnen und natürlich die runden Mosaiktische. Allerdings nicht passend zu unserer Einrichtung. Die Teller passten stilistisch auch nicht bei uns rein. Schließlich nahmen wir ein paar einfarbige Schälchen und ein Gewürzset bestehend aus drei kleinen, miteinander verbundenen Tajintöpfchen mit.
Den kurzen Zwischenaufenthalt im Hotel nutzte ich für ein paar Panoramaaufnahmen der Stadt.
Danach ging es wieder hinunter zum Parkplatz am unteren Ende der Medina und wieder hinein in die Gassen. Nach ein paar Minuten erreichten wir ein Riad-Haus, das ein Restaurant beherbergte. Der Innenhof war allerdings überdacht, was den Raum später zunehmend aufwärmte. Aber zunächst einmal sollte die Begegnungen mit drei marokkanischen Frauen stattfinden. Unsere Gruppe verteilte sich auf die drei Nebenräume, wo sich dann jeweils eine der Frauen zu uns gesellte. Eine Studentin, die sich wohl sehr auch für Frauenrechte einsetzt, eine Mutter und schließlich bei unserer Gruppe eine junge Frau, deren Lebensumstände alle in der Gruppe berührten und auch später während des Abendessens zum Diskutieren brachte. Der Vater war früh verstorben und die Mutter hatte sieben Töchter. Sechs davon besuchten nie eine Schule und wurden alle im Alter unter 18 Jahre verheiratet. Lediglich unsere Gesprächspartnerin als die jüngste blieb sozusagen übrig. Sie besuchte als einzige die Schule und studierte dann Arabisch. Jetzt arbeitet sie als Sekretärin in einem Gymnasium und verdient nicht schlecht. Außerdem hatte sie Deutsch gelernt, was sie ziemlich gut sprach. So weit so eigentlich positiv. Nur, dass sie mit ihren 35 Jahren alleine steht und ihre krebskranke Mutter betreut. Damit ist sie praktisch raus aus sozialen Beziehungen. In dem Alter einen Mann kennenzulernen ist in Marokko selbst heute praktisch nicht mehr möglich. Es gibt dafür keine Anlaufstellen. Freundinnen hat sie praktisch auch keine, weil die Frauen in ihrem Alter alle verheiratet sind und Kinder haben. Mit ihrer Mutter geht sie in den Hammam und sonst ins Sportstudio. Das war es ziemlich gewesen. Wir fragten nach und irgendwie schien sie keine wirkliche Perspektive zu haben, gerade auch nach einem möglichen Tod ihrer Mutter. Andererseits schien sie sich mit den Umständen abgefunden zu haben. Am Ende zeigte sie uns noch Hochzeitsfotos ihrer Schwestern, auf denen der wechselnde Kleidungsstil, aber auch die typischen Festgewänder zu sehen waren.
Während des Essens diskutierten wir noch lange über diese Gespräche und die Stellung der Frauen in Marokko.
Nach der üblichen Harira-Suppe und "gekochtem Salat" kam jeweils eine große Platte auf den Tisch mit Couscous mit Hähnchen und Gemüse. Schade eigentlich, dass wir nach den Vorspeisen praktisch satt waren. Der Nachtisch, den Johanna und ich natürlich ausließen, bestand aus frittierten Blätterteig-Dreiecken mit einem Klecks Pudding.
Einen Eindruck von der sozialen Problematik sah man dann auf dem Parkplatz und am Straßenrand. Hier die männlichen Jugendlichen unter sich. Am Straßenrand, auf dem Mäuerchen eng aneinander gedrängt, die Frauen und Mädchen, überwiegend, aber nicht ausschließlich mit Kopftuch. Eine Interaktion zwischen den beiden Geschlechtern war nicht festzustellen.
Zurück im Hotel ließ ein Teil der Gruppe den Tag auf der Terrasse ausklingen.

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