Nach Goa

Sonntag, 06.04.1997

Gegen 3:30 Uhr treffen sich die sechs Verlängerer ziemlich verschlafen in der Hotelhalle, wo wir gegen 3:50 Uhr abgeholt werden. Auf der Fahrt zum Flughafen wundere ich mich, warum der Fahrer die Richtung zum internationalen Terminal einschlägt. Einige Zeit später macht ihn der TCI-Vertreter endlich auf den Fehler aufmerksam. Über einige dunkle Nebenstraßen kehren wir um und erreichen schließlich das nationale Terminal. Beim Check-in sehen wir auch eine große Gruppe, die wohl nach Ladakh fliegt. Es sind einige Mönche darunter, außerdem steht auf einem der Pakete LEH. Die Gruppe scheint Vorräte für die nächsten Monate eingekauft zu haben.
Nach 2,5h Flug erreichen wir schließlich den Flughafen von Goa. Dieser befindet sich gerade im Umbau. Eine Empfangshalle oder ein Gepäckband gibt es nicht. Statt dessen stehen die Passagiere an der Stelle des Gebäudes herum, an der normalerweise die Gepäckstücke von den Transportwagen ab- und auf die Bänder aufgeladen werden. Nach einer Weile gelingt es uns schließlich, unser Gepäck von einem der Wagen herunterzuziehen und den Flughafen über einen Hinterausgang zu verlassen. Dort erwartet uns bereits die TCI-Vertreterin und ein Kleinbus ohne Gepäckladeräume. Während wir schon in den Bus einsteigen, wuchten der Fahrer und sein Helfer die schweren Koffer aus das Dach des Busses! Danach starten wir in Richtung Hotel. Bereits nach kurzer Zeit ändert sich die Umgebung. Das bisher kärgliche Land wird abgelöst durch dichte Palmenwälder. Dazwischen kleine Ansiedlungen aus Steinhäusern, denen man ihren portugiesischen Stil sehr deutlich ansieht. Auch die Menschen hier sind in einer Weise gekleidet, die man durchaus in Südeuropa vermuten könnte. Insgesamt wirken Landschaft und Menschen hier lockerer und weit weniger arm und schmutzig, als in Nordindien.
Nach einstündiger Fahrt erreichen wir schließlich unser Hotel in the middle of nowhere. Die Hotelanlage liegt (wo sonst) direkt am Strand und besteht aus einem Haupthaus mit Lobby, Restaurant, Geschäften und Poollandschaft sowie mehreren angegliederten bzw. alleinstehenden Appartementhäusern. Zwischen dem Haupthaus und dem Strand erstreckt sich der Hotelgarten, in den ein 9-Loch-Golfplatz integriert ist. Am Strand selbst gibt es zwei kleine Lokale aus Holz und Bambus, wo man Mittags eine Kleinigkeit essen, ab 17:00 den Happy-hour-Drink schlürfen und am Abend auch Essen kann. Der Strand selbst zieht sich über 30km die Küste entlang und besteht aus weißem, feinen Sand. Das nächste Hotel ist ein paar Kilometer weg, so daß der Strand hier vielleicht von 20 oder 30 Leuten „bevölkert“ wird.

Zurück zum Anfang

Goa

Montag, 07.04.1997 - Freitag, 11.04.1997

Goa
Park und Hauptgebäude des Hotels Goa Renaussance
Goa
Strand mit Fischerboot

Was ich eigentlich kaum für möglich gehalten habe: ich schaffe es tatsächlich, einige Tage praktisch ausschließlich damit zu verbringen, am Strand zu liegen, Teile dieses Reiseberichtes zu schreiben und einige Bücher zu lesen. Nur der mittäglich Imbiß unterbricht die wohl notwendige Erholungsphase. Manchmal wandere ich ein Stück den Strand entlang, während Johanna mit einem Mädchen aus Rajasthan über Tücher etc. verhandelt. Entweder zu dem erwähnten Imbiß oder aber zur Happy hour treffen wir uns manchmal mit Herrn Kneip und Frau Evertz, eines der drei Verlängerer-Paare. Zu Ausflügen in die Umgebung können wir uns nicht aufraffen. Eine der angebotenen Touren hätte uns zwar interessiert, findet aber an einem Wochentag statt, der für uns nicht mehr erreichbar ist. In den Garten des Hotels ist auch ein kleiner Golfplatz eingebettet. Allerdings ein wirklich kleiner. Das Rough besteht im Prinzip aus den Blumenbeeten und Rosensträuchern. Da traue ich mich dann doch nicht dran. Obwohl es schon reizvoll gewesen wäre, da das Greenfee von ein paar Mark auch gleich den Trainer und einen Caddy miteinschließt. So beschränke ich mich darauf, etwas Putten zu üben.

Goa
Sonnenuntergang am Strand mit Fischerboot

Zurück zum Anfang

Der lange Weg nach Hause

Samstag, 12.04.1997 - Sonntag, 13.04.1997

Nachdem die Koffer gepackt und das letzte Frühstück eingenommen ist, beschließen wir die Wartezeit ausnahmsweise einmal am Pool des Hotels zu verbringen. Nach einer Weile und einigen Runden im Wasser kommt plötzlich ein Hotelangestellter vorbei. Dieser trägt eines jener Schilder mit Glöckchen, mit dem gewöhnlich einer der Gäste zu Telefon gerufen wird. Sonderbar ist nur, daß auf dem Schild „KUHN“ steht. Etwas irritiert gehe ich (immer noch halb naß) zur Rezeption. Dort erfahre ich, daß die Agentur angerufen hatte, um uns mitzuteilen, daß aufgrund eines Streiks in Indien der Flugverkehr eingestellt ist. Ein weiterer Anruf durch die Agentur kurze Zeit später bestätigt dies. Wir sollen uns alle in der Hotelhalle versammeln und warten. Nachdem wir die anderen Mitreisenden eingesammelt haben, trifft schließlich die deutsche Betreuerin und später auch ihre Kollegin von der indischen Agentur ein. Definitiv ist es nun wohl so, daß kein Flugzeug von Goa nach Bombay fliegt. Allenfalls gibt es noch eine Chance, daß der Flug ab Bombay geht. Auf jeden Fall müssen wir nach Bombay, egal wie. Einzige Möglichkeit: wir werden gefahren. Die Strecke beträge etwas 600 km, wofür ca. 12 h veranschlagt werden. Allein dies läßt uns kritisch dreinblicken. Nicht nur, daß eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 50km/h nicht eben auf gute Straßen schließen läßt, auch eine Hochrechnung über die Ankunftszeit und die geplante Abflugzeit läßt nichts Gutes erwarten.
Einige Zeit später treffen zwei Kleinwagen von der Agentur ein, die uns nach Bombay bringen sollen. Ein erster Blick genügt, um zu sehen, daß mit diesen Wagen nicht sechs Leute samt Gepäck und Fahrer transportiert werden können. Dennoch versuchen die Fahrer eine Ewigkeit, das Gepäck zu verstauen. Schließlich schlagen sie vor, ein Teil des Gepäcks auf den Beifahrersitz zu laden uns jeweils zu dritt auf den Rücksitz. Was wir natürlich kategorisch ablehnen. Nach einigen weiteren Diskussionen kamen wir schließlich überein, daß wir zunächst auf die beschriebene Weise zur nächsten Stadt gebracht werden, wo sich das Büro der Agentur befindet. Dort sollten wir dann in größere Fahrzeuge umsteigen. Im Agenturbüro angekommen mußten wir dann allerdings wieder eine ganze Weile warten, bis ein anderes Fahrzeug aufgetrieben werden konnte. Der eine Wagen nahm nun das Paar Kneip/Evertz und Herrn Dähne auf, während wir mit Frau Dähne und einigem Gepäck der Mitreisenden den größeren Wagen besetzten und auch als erste losfuhren.
Mittlerweile war es bereits Nachmittag und mit den veranschlagten 12h Fahrzeit würden wir genau zum Abflugzeitpunkt in Bombay ankommen. Einzig positive Nachricht ist, daß unser Flugzeug angeblich fliegen wird. Die ersten paar Stunden der Fahrt, solange es noch Tageslicht gab, waren noch einigermaßen interessant, auch wenn der Platz neben dem Fahrer schon einige Nervenstärke verlangt, bei indischen Straßen- und Verkehrsverhältnissen. Wobei allerdings der Fahrer ausgesprochen sicher fährt. Zwischendurch machen wir noch eine kurze Pause und decken uns mit Chips und Wasser ein. Für mehr ist keine Zeit. Der zweite von insgesamt drei Stopps in 12 h dient zum Tanken. Mit zunehmender Dunkelheit hört dann der Spaß aber endgültig auf. Unbeleuchtete Ochsenkarren und ein extrem dichter LKW-Verkehr verleiten einem jeden Versuch die Augen zu schließen. Die LKWs haben zwar Frontscheinwerfer, aber auf ein ordentliches Rücklicht scheint niemand besonderen Wert zu legen. Meist befindet sich am Heck des Fahrzeugs eine kleine Lampe inmitten eines größeren Schildes, auf dem vermerkt ist, daß man an der Lampe das Fahrzeug erkennt in der Dunkelheit.
Etwa gegen Mitternacht, wir sind noch etwa 50 km von Bombay entfernt, erreichen wir eine Straßenkreuzung mit einem Polizeiposten. Trotz der späten Stunde flutet der Verkehr hier in alle Richtungen. Der Fahrer erklärt, daß er auf den anderen Wagen warten wolle, den wir bereits wenige Minuten nach unserer Abfahrt aus den Augen verloren hatten. Nach etwa einer halben Stunde werden wir alle immer nervöser. Insbesondere natürlich Frau Dähne, deren Mann im anderen Fahrzeug sitzt. Nach fast 45 Minuten beschließen wir dann doch nach Bombay weiter zu fahren, da wir an der Straßenkreuzung eh nichts ausrichten können. Frau Dähne ist mittlerweile ziemlich aufgelöst und erklärt, keinesfalls ohne ihren Mann in das Flugzeug zu steigen. Dies bringt uns natürlich etwas in Gewissenskonflikte, weil wir uns nicht im Klaren sind, wie wir uns in einem solchen Fall verhalten sollen. Mir käme es etwas komisch vor, mich einfach ins Flugzeug zu setzen und jemanden mit Problemen einfach zurückzulassen.

Endlich erreichen wir die Stadtgrenze von Bombay. Die verbleibende Zeit bis zum offiziellen Startzeitpunkt des Flugzeugs kann eigentlich gar nicht mehr reichen. Und genau in dieser Situation wird unser Fahrer, der bisher eigentlich einen sehr souveränen Eindruck gemacht hat, immer langsamer um schließlich einen Passanten nach dem Weg zum Flughafen zu fragen. Nach kurzer Diskussion setzen wir unseren Weg schließlich fort, allerdings nur, um ein paar hundert Meter weiter wieder anzuhalten und erneut nach dem Weg zu fragen. Dieses Spiel setzt sich immer in Streckenabschnitten von einigen hundert Metern fort.
Trotz alledem erreichen wir schließlich den Flughafen, wo absolutes Chaos herrscht. Trotzdem winkt bereits bei der Einfahrt ein Vertreter der Agentur und erklärt, daß das Flugzeug noch nicht abgeflogen ist. Wir sollten nur möglichst schnell unser Gepäck einchecken. Frau Dähne erklärt nun bestimmt, nicht ohne ihren Mann zu fliegen. Dieses Problem erledigt sich aber mit dem Erscheinen des zweiten Wagens. Diesem entsteigen dann allerdings drei leichenblasse Passagiere, die uns wahre Horrorgeschichten über ihre Fahrt erzählen. Nach mehreren Autopannen bereits bei Beginn der Fahrt, selbst-geflickten Reifen und fehlender Bremsflüssigkeit, meinte der Fahrer, die verlorene Zeit wieder aufholen zu müssen. Mit wohl lebensgefährlicher Geschwindigkeit und manchmal mit nur zwei Rädern auf der Straße am Abgrund entlang muß die Fahrt für die andere Gruppe die Hölle gewesen sein.
Nach dem Einchecken sehen wir uns allerdings mit dem nächsten Problem konfrontiert. In der Abflughalle, in der auch eine andere Gruppe Lufthansa-Passagiere seit einem Tag wartete, da ihr Flugzeug wegen des Streiks gar nicht aus Deutschland angekommen war, bilden sich lange Schlangen vor den Sicherheitsschaltern. Ursache hierfür ist nicht etwa der Streik, sondern eine unüberschaubare Zahl von Mekka-Pilgern. Nach einigen Minuten stellt sich heraus, daß sich in diesen Schlangen überhaupt nichts bewegt. So machen wir zusammen mit einigen anderen Deutschen kurzerhand vor einem geschlossenen Schalter eine weitere Schlange auf und fordern von jedem, der einigermaßen offiziell aussieht, abgefertigt zu werden. Dies führt sofort zu bösen Blicken und Schreien der Mekka-Pilger, die einer der ihren wiederum zu beruhigen versucht. Außerdem ruft es die mit Gewehren bewaffneten Sicherheitskräfte auf den Plan, von denen uns einer auffordert, zurück in die anderen Schlangen zu gehen. Es entspinnt sich ein heftiger Disput, der damit endet, daß wir stehen bleiben. Schließlich erwischen wir einen Mitarbeiter der Lufthansa, der verspricht, sich unserer anzunehmen. Schließlich nimmt er die Pässe von jeweils zwei Passagieren und schleust sie durch die Sicherheitskontrolle. So gelangen auch wir endlich in das Flugzeug, wo wir erschöpft in unsere Sitze sinken und auf den Start warten, der sich allerdings weiter verzögert, da der Pilot sichergehen möchte, daß alle Passagiere mitkommen können.
Für das Ehepaar Dähne geht das Chaos allerdings noch etwas weiter. Eigentlich haben sie Plätze unmittelbar vor uns. Dabei handelt es sich aber um die Mutter-und-Kind-Plätze, die eine indische Familie vehement für sich fordert. Mutter, Mann, Großmutter und einige Kinder machen sich ohne viel Rücksicht auf den Plätzen breit, noch bevor für Dähnes entsprechende Plätze gefunden werden. Schließlich sind aber auch sie untergebracht und später können sie auch nebeneinander sitzen. Gegen 4:30 Uhr können wir dann endlich starten und so endet nach einigen Stunden Flug in Frankfurt ein recht abenteuerlicher Urlaub.

Zurück zum Anfang