Freitag, 15.10.2010 - Etappe 3
Eisige Winde, wilde Seen, überraschende Telefonate und gewöhnungsbedürftige
Busfahrer
Hermann eröffnete mir beim Frühstück, dass seine Zerrung eher noch schlimmer
geworden sei und er deshalb einen Ruhetag einlegen würde. Also machte ich
mich alleine auf die dritte Etappe des Seensteigs. Der Bus, der mit etwas
Verspätung eintraf, war recht gut gefüllt, auch eben mit Wanderern. Einige
Reihen hinter mir unterhielten sich zwei etwas ältere Frauen ständig mit
Bezug auf Tonbach. Irgendwie hatte ich so eine Ahnung, dass die beiden möglicherweise
im falschen Bus gelandet waren. Tatsächlich kamen die beiden in Mitteltal
nach vorne zum Busfahrer und erfuhren dort auf Anfrage, dass sie im falschen
Bus gelandet waren. Entsetzten, Panik, Streit waren die Folge. Anscheinend
waren die beiden in Tonbach verabredet und befürchteten nun, dass die anderen
nicht warten würden. Die Frage an den Busfahrer nach einer Rückfahrmöglichkeit
wurde mit einem „in einer Stunde“ beantwortet. Schließlich stiegen sie dann
an einer Haltestelle aus. Vielleicht hätte man den beiden mal die Themen
Telefon und Taxi erläutern sollen.
Oben an der Haltestelle bei Schliffkopf-Hotel angekommen, beschloss ich
zunächst einmal, meine Jacke komplett zu schließen und auch die Mütze aus
dem Rucksack zu holen.
Auf dem Schliffkopf
Auf dem Schliffkopf selbst pfiff der Wind noch eisiger und begleitete mich
ein ganzes Stück bis ich schließlich östlich der B500 etwas den Hang hinunter
gelaufen war. Zwischenzeitlich hatte ich mir schon überlegt, am Abend bei
dem Sportgeschäft in der Nähe des Hotels vorbei zu schauen und Mütze und
Handschuhe zu kaufen.
Was allerdings auch noch im Zusammenhang mit dem ersten Stück des Weges
erwähnt werden muss, sind die sogenannten Grindeflächen. Früher waren Flächen
hier oben abgeholzt worden, um Weideflächen zu schaffen. Mit dem Rückgang
der Weidewirtschaft bewaldeten sich die Flächen wieder. In der Neuzeit hatte
man dann begonnen, diese wieder abzuholzen, um den ursprünglichen Charakter
wieder herzustellen.
Beim Kleinen Geißkopf
Im Ergebnis lief ich über Flächen mit relativ hohem, breitblättrigem Gras,
das unten noch grün, nach oben hin sich aber gelb bis rot verfärbt hatte.
Dazwischen lagen und standen immer wieder weiß-graue Gerippe von abgestorbenen
Bäumen, bzw. deren Reste. An verschiedenen Stellen wuchs ganz unten dann
noch Erika. Das ergab selbst an dem stark bewölkten Tag einen unglaublich
intensiven Farbkontrast.
Der Weg führte mich dann an dem Osthang auf den leider üblichen Schotterwegen
zwischen den Nadelwäldern leicht nach unten an einem Skihang vorbei bis
zur Melkenteichhütte mit eben einem kleinen Teich daneben.
Melkenteich
Dann war allerdings Abwechslung angesagt. Der Seensteig verließ nun die
Schotterwege und führte über einen der zahlreichen Hänge nach oben, die
hauptsächlich von ca. 1,20 m hohen Nadelbäumen, Farnen, Erika und Gras bewachsen
sind. Gedankenverloren den Pfad entlang wandernd wurde ich richtig überrascht,
als vor mir plötzlich ein wanderndes Ehepaar auftauchte. In den abgelegeneren
Teilen der Wanderroute begegnete ich über lange Zeiträume keinem Menschen.
Der Pfad über den aufwachsenden Hang ging dann direkt in einen schmalen,
leicht begehbaren Pfad unter hohen Nadelbäumen über. Das war eine der wenigen
Gelegenheiten bisher, wo ich wirklich das Gefühl hatte, IM Wald zu laufen.
Die Schotterwege sind zwar links und rechts von Wald umgeben, aber aufgrund
der Struktur des Nadelwaldes fühlt man sich irgendwie dazwischen, statt
mittendrin. Das ist in der heimischen Pfalz anders. Dort läuft man normalerweise
unter einem Blätterdach, das den Weg überspannt. Irgendwie gibt das ein
anderes Gefühl von Wald.
Jedenfalls endete dieser Teil des Weges recht überraschend mit dem Anblick
einer Freifläche und technischem Gerät. Der Weg führte tatsächlich direkt
über die Auslaufzone der Ruhestein-Skisprunganlagen.
Am Naturschutzzentrum Ruhestein hielt ich mich nicht lange auf, nur um die
Raben-Skulpturen zu fotografieren.
Ruhestein Sprungschanze
"Schlaue Biester" von Mathias Schweikle
Dann ging es in Serpentinen die Skipiste hinauf. Oben taucht man in den
ältesten Bannwald Baden-Württembergs ein, ein Waldstück, das menschlicher
Manipulation entzogen ist und somit einmal wieder wirklicher Ur-Wald werden
soll.
Kurz vor dem Eutinggrab kann man von oben den Wildsee in der Tiefe schwarz
schimmern sehen. Nachdem wir schon gestern um unseren See gekommen waren,
war klar, dass ich den Abstecher hinunter machen würde. Die verschiedenen
Tafeln mit "0,8 km", "unbefestigter Weg", "nur mit entsprechender Ausrüstung",
"Trittsicherheit" etc. schreckten mich nicht ab. Und tatsächlich erwies
sich der Weg nach unten eher als willkommene Abwechslung zum Schotter-Einerlei,
als dass er wirklich schwierig gewesen wäre. Da hatte ich am Achensee schon
andere Passagen. Jedenfalls war ich die vielleicht 60 Höhenmeter in 15 Minuten
hinunter gerannt und stand dann an einem stillen See mit unglaublich seltsamen
Farben in verschiedenen Rostrottönen, die vom Seeboden nach oben zu schimmern
schienen. Das Spiegelbild der Nadelbäume hatte eher eine Indian Summer Färbung.
Wildsee
Aber auch hier konnte ich mich nicht allzulange aufhalten und machte mich
wieder an den Aufstieg. Unterwegs begegnete ich einem Ehepaar, mit dem ich
mich ein paar Minuten unterhielt. Letztlich war ich dann in 20 Minuten wieder
oben.
Die zu meiner Überraschung bewirtschaftete Darmstädter Hütte ließ ich liegen
und fand mich kurze Zeit später auf einem Weg am Westhang des Berges mit
Blick auf Hinterseebach, einen lärmenden Steinbruch und die Hornisgrinde.
Die Wolken hingen teilweise, wie der Nebel gestern, unten im Tal, während
auf der Höhe des Weges die Luft recht klar war. Erst oberhalb gab es dann
wieder eine geschlossene Wolkendecke. Kurz bevor ich die Skipiste und das
angestrebte Gasthaus Seibelseckle erreichte, spürte ich mein Telefon vibrieren.
Johanna teilte mir mit, dass mein Kollege Fritz mich unbedingt sprechen
müsse, weil ich nächsten Mittwoch nach Brüssel mit solle. Na ja, die Hoffnung
auf einer Wandertour im Schwarzwald nahe der Hornisgrinde in einem Funkloch
zu sein, ist nicht wirklich realistisch. Nachdem wir irgendwie die Telefonnummern
ausgetauscht hatten, konnte mich Fritz anrufen, während ich vor dem Gasthaus
noch überlegte, einzukehren oder nicht.
Nachdem Brüssel geklärt war, schaute ich mir nochmals die Verbindungen zurück
nach Baiersbronn an. Einkehren hätte eine gut 1,5 Stunden spätere Rückkehr
bedeutet. Also musste ich mich entscheiden zwischen Vesper und Sauna. Schließlich
entschied ich mich doch für die Option einer früheren Rückkehr und lief
die verbleibenden 1,5 km bis zum Mummelsee durch.
Mummelsee
Im Vergleich zum Wildsee fand ich den Tourismus-Brennpunkt Mummelsee dann
schon wieder langweilig, See halt.
Interessant wären eigentlich die verschiedenen Kunstwerke gewesen, die in
die Natur um den See eingefügt sind, aber ich wollte ja meinen Bus erwischen.
Also gönnte ich mir statt Kunst noch eine Bratwurst in dem Souvenirladen/Imbiss
unter dem Hotel und suchte die Bushaltestelle.
Dort stand der Bus schon bereit. Allerdings verschlossen und vom Fahrer
keine Spur. Zur Abfahrtszeit waren zwar jede Menge Fahrgäste da, der Fahrer
kam aber locker 5 Minuten nach der vorgesehenen Abfahrtszeit, schloss seinen
Bus auf, verstaute seine Brötchen und wollte schließlich noch seinen Fahrkartenautomaten
in Gang bringen, was ihm trotz Eingabe irgendeines Codes nicht gelang.
Er fuhr also erst mal los und hämmerte dann parallel auf der Tastatur des
Gerätes herum, das wohl einer Studienarbeit von Konrad Zuse entstammen musste.
Jedenfalls sah es recht alt aus.
Das war es aber nicht, was selbst mich nervös machte. Die B500 ist nicht
umsonst als eine sehr schöne, aber auch extrem gefährliche Strecke bekannt.
Wenn dann noch die Wolken auf Straßenniveau hängen, sollte man eigentlich
etwas aufpassen. Das tat der schon ältere Fahrer aber nur teilweise. Nicht
nur der Fahrkartenautomat, sondern auch das Radio und der Videorekorder
beschäftigten ihn weit mehr, als die Straße. Mehrmals befand sich der Bus
deutlich über dem Mittelstreifen. Ich war ganz froh, als ich dann in Sand
auf einem Parkplatz den Bus wechseln konnte.
Den Fahrer fragte ich, ob er nach Raumünzach fahren würde, was er irgendwie
indirekt bestätigte. Jedenfalls drückte ich den Halteknopf, sobald aus der
Ansage Raumünzach zu hören war. Das veranlasste den Fahrer allerdings nicht
zu halten, was mich doch etwas irritierte. Auch an einer oder zwei weiteren
Haltestellen fuhren wir vorbei, bis wir schließlich am „Bahnhof“ anhielten.
Dort gab es nur einen Parkplatz und den Bahnsteig für die Karlsruher S-Bahn,
die 10 Minuten später eintraf und mich zurück nach Baiersbronn brachte.
Ich hatte dann noch fast eine Stunde, um Dampfbad, Schwimmbad und Wärmekabine
zu genießen, bevor ich mich mit Hermann zum Abendessen traf. Am Morgen hatte
ich mich für Linsensuppe, Wildgulasch und Käse zum Abendessen entschieden,
was sich als keine schlechte Wahl herausstellte.
Und für den nächsten Tag sahen alle Wetterberichte Regen voraus.
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