04. Juni 2012 - Basare

Nach dem Frühstück reservierten wir erst mal einen Tisch im von meinem Reiseführer empfohlenen Restaurant Amedros, das in einer der Seitenstraßen auf der anderen Seite des Divan Yolu liegt.

Mit der Straßenbahn fuhren wir das kurze Stück hinauf zum Beyazıt-Platz. Dieser hat eine unregelmäßige Form und wird von drei markanten Bauwerken optisch begrenzt. Im Westen der flache Bau mit zahlreichen kleinen Kuppeln des Kalligraphie-Museums, im Norden etwas erhöht das markante Tor der Universität mit seinen flankierenden Gebäuden und im Südosten der große Bau der Beyazıt-Moschee.

Kalligraphie-Museum
Türk Vakif Hat Sanatlari Müzesi -Kalligraphie-Museum
Istanbul Üniversitesi
Beyazıt Meydanı mit dem Eingang zur Istanbul Üniversitesi

Unter einem Baum etwa in Platzmitte bedeckte eine Riesenschar Tauben den Platz, die von einigen Leuten gefüttert wurden. Als irgendetwas den Schwarm erschreckte, flatterten gefühlte Hunderte Tauben in die Luft, drehten im Tiefflug eine Runde über den Platz, um an der alten Stelle wieder zu landen. Während ich noch versuchte, die Tiefflieger zu fotografieren, waren die andern bereits zur Moschee weitergegangen, wo ich sie am Eingang sitzend wieder fand.

Beyazıt-Moschee
Innenhof mit Reinigungsbrunnen der Beyazıt-Moschee
Beyazıt-Moschee
Innenraum der Beyazıt-Moschee

Nach dem Getümmel gestern war die Ruhe im Vorhof der Moschee und dann auch im Inneren richtig erholsam. Gewohnt, bei diversen Besichtigungstouren die charakteristischen Merkmale christlicher Kirchen relativ schnell verschiedenen Epoche zuzuordnen und die Baustile und Architekturelemente zu identifizieren, fing ich auch langsam an, unterschiedliche Stile der Moscheen (die sich auf den ersten Blick sehr ähnlich sind) zu erkennen. Einer der augenfälligen Unterschiede waren die verschiedenen Formen der Reinigungsbrunnen. Hier hatten wir es mit einer Art Pavillon zu tun. Acht Säulen tragen eine oktogonale Dachplatte auf der sich etwas kleiner eine flache Kuppel erhebt. Die Waschplätze sind um einen polygonalen Zentralkörper unter der Kuppel angeordnet.


Hinter der Moschee erreichten wir zunächst den kleinen Bücherbasar. Obwohl Johanna und ich ziemliche Leseratten sind, hielten wir uns hier nicht lange auf, was wegen der für uns unverständlichen Sprache auch nicht verwundert.

Großer Basar
Fritz beim Architekturstudium im Großen Basar (Kapali Çarsi)

Durch ein steinernes Tor kamen wir direkt in den Großen Basar. Geschäft reiht sich hier an Geschäft und alle haben eine Riesenauswahl an allem, was man schon immer nicht gebraucht hat. Wir machten uns nicht die Mühe, nun jeden Gang und jedes Geschäft abzuklappern, ähnelte sich das Angebot doch zu sehr. Ich richtete meine Aufmerksamkeit sowieso eher auf die Architektur mit den Säulen, Bögen und den unterschiedlich verzierten Gewölben.

Im Bereich des Alten Basars, wo die Juweliergeschäfte angesiedelt sind, hielten wir uns etwas länger auf. Johanna inspizierte das Angebot und vor allem auch das Publikum in den Geschäften. Erfahrungsgemäß liegt man nicht schlecht, wenn ein Geschäft auch von entsprechendem einheimischem Publikum besucht wird.


Mahmutpasa Yokusu
Laden mit Festtagskleidung

Auf der anderen Seite des Basars folgten wir weiter dem in unserem Reiseführer beschriebenen Rundgang. Der führte durch die Einkaufsstraße stetig bergab. Kurz hinter dem Großen Basar ballten sich Geschäfte mit Festtagskleidung. Für uns ungewöhnlich die Geschäfte mit der Festkleidung, die kleine Jungen am Tag ihrer Beschneidung tragen. Diese sehen aus, wie man sich weiße orientalische Prinzengewänder vorstellt. Die Festtagskleidung für die Istanbulerin scheint idealerweise ein langes einfarbiges Kleid in ziemlich grellen Farben zu sein.

Etwas weiter die Straße runter wurde das Angebot der Geschäfte deutlich profaner. Hier bestimmten Geschäfte mit verschiedensten Haushaltswaren das Bild.


Schließlich erreichten wir die Straßenkreuzung, von der aus es steil bergauf zur Süleymaniye Moschee ging. Um die Abneigung in der Gruppe vor bergaufführenden Strecken wissend, machte ich mir echt Sorgen. Kurz vor dem letzten steilen Anstieg legten wir eine Pause in einem kleinen Lokal ein und erfrischten und mit Wasser und Kaffee. So bewältigten wir auch noch das letzte steile Stück. Links ist die Straße von der Mauer, die die auf einem noch höher liegende Universität umfasst, begrenzt. Recht beginnt der Bereich der Süleymaniye Moschee. Der gesamte Komplex ist zunächst einmal von einer Mauer eingefasst. Darin liegt in einem kleinen Park eingebettet die eigentlich Moschee, wie üblich bestehend aus dem Hof mit Reinigungsbrunnen und der eigentlichen Moschee. Im rückwärtigen Teil befinden sich ein Friedhof und einige Türben. Der Bereich wurde jedoch restauriert und war nicht zugänglich. Viel los war nicht. Aber nicht nur deswegen strahlte die Moschee sehr viel Ruhe aus. Sinans Meisterwerk aus dem 16. Jhdt. interpretiert die Standardelemente wie Kuppeln, Bogengänge und Säulen in einer fast schon kühlen oder modernen Weise. Auch das Innere ist sehr zurückhaltend dekoriert, mit vielen schlichten weißen Flächen. Fast das Auffälligste sind die rot-weißen Musterungen der Bögen.

Süleymaniye Moschee
Islamischer Friedhof der Süleymaniye Moschee
Süleymaniye Moschee
Süleymaniye Moschee

Obwohl nicht religiös gibt es einige religiöse Bauten auf der Welt, die mich nicht nur aus architektonischen und geschichtlichen Gründen oder wegen der Kunstwerke beeindrucken. Vielmehr ist es die Atmosphäre, die sie ausstrahlen und wo ich mich einfach gerne länger aufhalte bzw. aufhalten würde. Der Pura Ulun Danu Batur auf Bali gehört dazu, der Kreuzgang von San Paolo fuori le mura in Rom ebenfalls. Und ich denke, von jetzt an auch die Süleymaniye.

Süleymaniye Moschee
Arkaden der Mauer um den Innenhof und Reinigungsbrunnen
Süleymaniye Moschee
Der Innenraum der Moschee mit Zentralkuppel, Halbkuppel und Schildwänden

Von der Mauer, die das Gelände der Moschee gegen den anfallenden Hang abfängt, sieht man über die Kuppeln und Schornsteine hinunter auf das Goldene Horn und hinüber auf das Stadtviertel Galata.

Über einen Treppenabgang und ein Tor in der Mauer gelangten wir auf eine Straße parallel zum Gelände der Moschee und von da aus auf den Weg durch das Stadtviertel Tahtakale weiter nach unten. Auch hier waren die Straßen gesäumt von allen möglichen Geschäften, in denen Alltagsbedarf verkauft wird.

Fritz hatte inzwischen die Führung übernommen und dabei leicht die Orientierung verloren. Nachdem er einige Passanten konsultiert hatte, fanden wir aber doch noch den Ägyptischen Basar, der auch als Gewürzbasar bekannt ist.

Der Ägyptische Basar hat eigentlich nur einen relativ überschaubaren Anteil an Läden mit Gewürzen. Es gibt mindestens genauso viele mit verschiedensten Nüssen, Süßigkeiten und Tees.

Ägyptischer Basar
Lampenladen im Ägyptischen oder Gewürzbasar
Ägyptischer Basar
Gewürzladen im Ägyptischen oder Gewürzbasar

Bei den Gewürzläden waren in den Auslagen verschiedene Gewürze in flachen Kästen nebeneinander zu Pyramiden aufgeschichtet. Das sah zwar dekorativ aus, aber von den offenen Gewürzen wollte ich nicht unbedingt etwas kaufen. Wahrscheinlich gab es im Inneren der Läden das Angebot auch verpackt. Mittlerweile aber durch Gewürze von Schuhbeck, Lafer, Ingo Holland oder „Zauber der Gewürze“ verwöhnt, hatte ich auch nicht unbedingt das Verlangen, etwas zu kaufen.

Allerdings wollte ich unbedingt die bunten Süßigkeiten probieren, wenn ich auch normalerweise nichts Süßes esse. An einem Stand begannen Johanna und ich dann durchzuprobieren. Wie der Verkäufer uns erklärte sind die eher fladenartig aussehenden Spezereien verschiedene Nüsse in einem Bindemittel aus Honig und einem jeweils typischen weiteren Geschmack. So gibt es die rote Variante mit Rosengeschmack oder die weißliche Variante mit einem zitrusfruchtigen Geschmack.

Bei der anderen Variante, die wir in der Stadt des Öfteren in den Auslagen gesehen hatten, und die wie quadratische oder runde Stangen geformt ist, ist das Bindemittel auf Marmeladenbasis.

Die Honig-Variante schmeckte nicht einmal besonders süß, so dass selbst Johanna und ich das mochten. Der Verkäufer holte einen Karton hervor und begann, von jeder Sorte ein größeres Stück der von mir gewählten Sorten einzupacken. Am Ende hatte das „Probierpaket“ satte 1,2 kg!

Am Abend probierten wir zu viert die Varianten im Zimmer. Den Rest teilten wir dann zuhause zwischen unseren Nachbarn und uns auf.

Die Neue Moschee ließen wir links liegen und gingen direkt hinüber zur Galatabrücke und landeten dort im selben Restaurant, wo Fritz und ich gestern Bier getrunken hatten.

Galata-Brücke
Die Reisegruppe in einem Restaurant unter der Galata-Brücke

Obwohl wir von den Kellnern nicht nur die Vorspeisenplatte, sondern natürlich auch die Platte mit den frischen Fischen gezeigt bekamen, beschränkten wir uns auf einige Vorspeisen wie Oktopussalat, eingelegte Anchovis und Fischklöße. Dabei beratschlagten wir, wie wir einen Shopping-Ausflug für die Mädels in das Programm einbauen könnten. Im Reiseführer war ein relativ neues Shopping Center in Teşvikiye erwähnt (City‘s Nişantaşı). Nach kurzer Diskussion enterten wir an der Hauptstraße ein Taxi und ließen uns hinüber auf die andere Seite des Goldenen Horns fahren.


Das Shopping Center inmitten eines sehr belebten Stadtviertels hat sechs oder acht recht kleine Stockwerke. Während wir die Mädels losschickten schauten Fritz und ich den einzigen für Männer interessanten Elektronikladen an und tranken dann einen Espresso bei Starbucks. Danach begleiteten wir stückchenweise unsere Frauen nach unten. Die Ausbeute blieb relativ bescheiden. Auch Fritz Suche nach einem Sommerjacket blieb erfolglos. Selbst im Zara Laden gegenüber des Shopping Centers war nichts zu finden. Das lag aber auch an dem anderen Schnitt. Da mir einige Jackets durchaus gefielen, probierte ich auch das eine oder andere an. Interessanterweise sind die Jackets aber anders geschnitten als bei uns. Selbst bei einem 54er Jacket, was mir normalerweise zu groß ist, waren die Ärmel zu eng.

Auf der Straße hielten wir wieder ein Taxi an, wo ich den Platz neben dem Fahrer einnahm. Der war durchaus mitteilsam, was nur bedingt hilfreich war, weil er nur türkisch sprach. Da ich aber irgendwie immer in der Lage war, selbst bei einer völlig unverständlichen Sprache zumindest irgendetwas aus dem Gesagten zu interpretieren, erfuhren wir, dass der Fahrer Kurde war und sich über die Fahrweise der Türken aufregte. Wir fuhren durch sehr belebte Einkaufsstraßen mit Läden ganz anderer Art als drüben zwischen Großem und Ägyptischem Basar. Das Stadtviertel danach war durch abbruchreife Häuser geprägt. Das Viertel ist wohl tatsächlich für eine Totalsanierung vorgesehen.

Wieder auf der anderen Seite des Goldenen Horns nahm der Taxifahrer den Weg unten am Wasser entlang und fuhr dann hoch zum Hippodrom. Von hier aus komme er leider nicht mehr weiter, erklärte er uns und so liefen wir das letzte Stück zurück zum Hotel.

Galata-Brücke
Abendessen im Restaurant Amedros

Zum Abendessen gingen wir zum Restaurant Amedros. Das Restaurant ist vergleichsweise klein und modern. Die Speisekarte war eher übersichtlich, was aber in der Regel eher positiv zu bewerten ist.

Am Nachbartisch saß ein Mann mit seinem kleinen Sohn, offensichtlich Deutsche. Johanna meinte, dass er ihr von SAP bekannt vorkäme. Annette hatte überhaupt kein Problem, den Mann direkt danach zu fragen. Er verneinte allerdings.

Johanna wählte als Vorspeise eine Gemüsesuppe und wir drei anderen mit Käse, Spinat und Dörrfleisch gefüllte osmanische Teigtaschen. Das war schon mal sehr lecker.


Als Hauptgang suchte sich Johanna Fleischbällchen in Tomatensoße und Gemüse aus, Annette eine Art Ragout aus Lamm und Gemüse in einer hellen Soße (Kebab Ravan) und Fritz und ich Lammschmortopf (Tepsi Kebab). So bekamen wir auch endlich mal den Tontopf theatralisch am Tisch zerschlagen.

Bei dem Gericht werden Fleisch, Gemüse und Soße in einem bauchigen Tonkrug mit etwas verengtem Hals auf einem Holzkohlefeuer gegart.

Auf einem Rolltisch kommt eine Platte mit Holzkohle und dem Krug darin an den Tisch. Die Keller der verschiedenen Lokale, die alle das Gericht anbieten, haben dann unterschiedliche Techniken zum einen um den heißen Krug anzufassen und zum anderen um mit einem Werkzeug leicht auf die Sollbruchstelle zu klopfen bis der Krug dann an eben diesem Radius bricht.

In unserem Fall schüttete der Kellner zuerst einen kleinen Teil des Inhaltes direkt auf die Vorlegeplatte. Er wickelte dann ein schmales Stoffband um den Hals und dann senkrecht unter das Gefäß. Wenige Schläge mit einer Eisenstange reichten dann, das Gefäß an der richtigen Stelle zum Brechen zu bringen. Damit konnte dann der Rest des Inhalts auf die Vorlegeplatte verbracht werden.

Das Gericht war sehr schmackhaft, allerdings mit wenig Gewürz. Johanna und Annettes Gerichte waren deutlich würziger.

Nach dem üblichen Rakı zum Schluss ging es zurück zum Hotel, wo wir noch von der Dachterrasse Nachtaufnahmen machten. Der Vollmond über der Blauen Moschee, die Hagia Sophia und die unterschiedlich beleuchtete Bosporusbrücke waren perfekte Fotomotive. Dabei kamen alle Tricks zum Einsatz. Als Stativ mussten gestapelte Serviettenboxen herhalten, der Fernauslöser sorgte selbst bei 30 sec Belichtungszeit für verwacklungsfreie Bilder und der Aufhellblitz schuf aus den Balkonpflanzen perfekte Vordergründe. Trotzdem war es nicht einfach, die Überstrahlung durch den starken Strahler bei der Blauen Moschee in Grenzen zu halten.

Bosporus
Bosporus mit der ersten Bosporus- oder Atatürk-Brücke
Blaue Moschee
Die Blaue Moschee (Sultanahmet Camii) bei Nacht

Anschließend trafen wir uns noch auf unserem Zimmer zu Rakı und Verkostung der eingekauften Spezereien.

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